Nach der Wiedervereinigung wurden die ostdeutschen Kleinstadte gleich mit den Umbruchsprozessen ?Deindustrialisierung und Schrumpfungsgeschehen“ konfrontiert. Beim darauffolgenden rapiden Verfall der ostdeutschen Kleinstadte in den 90er Jahren spiegeln sich die grundlegenden Probleme der deutschen Wiedervereinigung wider, wie sie mit dem Verlust der wirtschaftlichen Basis von Ostdeutschland gar nicht gerechnet und ohne langfristige und zukunftsfahige Konzepte reagiert hat.
Aber spatestens seit 2000 zeichnen sich schon einige ostdeutsche Kleinstadte durch ihre Erfolge aus, die sie aus ihrer aktiven und eigenstandigen Konfrontation mit Deindustrialisierung und Bevolkerungsschwund hervorbringen und auf ihre kleinstadtischen Merkmale und Potenziale ? ?soziales Kapital“ - zuruckzufuhren sind, zu denen u. a. die ?lokalen Austauschbeziehungen, nachbarschaftlichen Unterstutzungssysteme, familiare Solidaritat, Freundschaftsbeziehungen“ zahlen.
Was sich noch fur die kleinstadtischen Zukunftskonzepte positiv auswirkt, ist die Tatsache, dass die alten Visionen aus der Industrialisierungsara nicht mehr gultig sind und es eroffnet sich dafur das Experimentierstadium der postindustriellen, postfordistischen Moderne, auf dem aller Art Uberlebensstrategien probiert werden mussen und konnen. Die Entwicklung der Stadt bedeutet nun nicht mehr die Geschwindigkeit und das Wachstum, sondern sie soll sich auf die Lebensqualitat, Entschleunigung und Nachhaltigkeit richten, wobei die Kleinstadte wegen ihrer Große und innerer Dynamik fur die neuen Experimente flexibler und geeigneter agieren konnen. Bei der Planung und Durchfuhrung der verschiedenen progressiven Konzepte wie die Umstellung auf die erneuerbare Energieproduktion, Gebaudesanierung, Biolandwirtschaft, Tourismus & Kultur, neue Modelle der Burgermitgestaltung, Regionalwahrungen, wird nicht nur die Burgermitwirkung sondern auch Fantasie und Mut der Burger stark gefordert und das demokratische Potenzial der Bewohner verwirklicht.
Schließlich ist die Krise der Stadt als Ergebnis des wirtschaftlichen Strukturwandels von der Industrie- hin zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft kein ostdeutsches Phanomen mehr. Die Erfahrungen der Erfolge wie Misserfolge, die Krise als Chance zu nutzen und die Schrumpfung kreativ zu gestalten, und die Uberlebensstrategien der ostdeutschen Stadte mit Aussicht auf Lebensqualitat und burgerliches Engagement konnen als ein zukunftsweisendes Beispiel fur Westdeutschland und ganzes Europa Schule machen.