Von der griechischen Anike uber das Mittelalter bis zur Fruhmoderne im spaten 18. Jahrhundert ist das Haßliche als Gegensatz des Schonen angesehen, und insofern mit dem ethisch Bosen und Verwerflichen fest konnotiert, als das Schone in philosophischen und theologischen Systemen mit dem Wahren und dem Guten fest verbunden ist. Das formal Haßliche als Ungestalt, Formlosigkeit, Ohne Gestalt usw. ist nach der damaligen Weltanschauung fur Ergebnis des moralisch und ethisch Haßlichen gehalten. Es versteht sich von selbst, dass die Nachahmung des Haßlichen in der Kunst verboten ist, abgesehen von dessen Nachahmung in der Komodie. Aber das Verbot der Nachbildung des Haßlichen bleibt nur auf der Theorieebene. Was die Kunstpraxis dagegen betrifft, sind haßliche Gegenstande uberall in Dichtung und bildenden Kunsten zu beobachten, wie es Umberto Ecco in seinem Buch 『Die Geschichte der Haßlichkeit』 zeigt. Dieser Widerspruch zwischen der Kunsttheorie und Kunstrpraxis beseitigt sich in der Fruhmodeme, in der man das Haßliche theoretisch als eine positive, asthetische Kategorie ernstnimmt. Das Haßliche, das dem Menschen Ekel, Schauder, Schrecken usw. bewirkt, wird zum Zweck der Affektenerregung "gemischter Empfindungen" und der damit eng verbundenen Vermittlung bestimmter moralischer Lehre instrumentalisiert. Affektenerregung und Vermittlung moralischer Lehren sind entscheidende Faktoren, die gerade die "Angemessenheitsregel", die Nachahmung des Haßlichen zu verbieten, von innen aus versprengen. Zum Beispiel berucksichtigt Lessing den medialen Unterschied zwischen bildenden Kunsten und der Dichtung und pladiert fur eine eingeschrankte Zulassung des Haßlichen in der Dichtung, weil hier "die Haßlichkeit der Form, durch die Veranderung ihrer coexistierender Theile in successive, ihre widrige Form fast ganzlich" verliert und gewisse asthetische Effekte, Mitleid im Fall der Tragodie, bewirkt. Aber hier darf man noch von der Instrumentalisierung des Haßlichen, und zwar in Hinsicht auf die Vermittlung moralischer Lehre. Erst in asthetischen Schriften von Schiller findet das Haßliche die volle asthetische Anerkennung. Bei ihm sind das Wahre und das Gute der schonen Kunst nicht mehr wichtig. Sie soll einzig und allein asthetischen Genuß anbieten. Daher ist das traditionell als haßlich Angesehene (z. B. "das Gemeine", "das Niedrige" und "das Lacherliche") asthetisch gleichberechtigt, wie Zwckmaßigkeit, Ordnung, Proportion, Vollkommenheit. All diese sind nur Stoffe, welche die Kunst bearbeitet, um asthetischen Genuß zu erregen. Friedrich Schlegel ist auch ein Apologet des Haßlichen. Zwar geht er von der Diagnose einer problematischen Modeme aus und diagnostiziert eine "vorubergehende Krise des Geschmacks", in der das Interessante ubersteigert und in "entarteter Kunst" zu verschiedenen Arten des Haßlichen fuhrt: "dem Pikanten, Frappanten, Faden, Schockanten, Abenteuerlichen, Ekelhaften, Graßlichen". Aber seine Diagnose kann durchaus als die Anerkennung des Haßlichen und zwar als Kategorie des Interessanten gelesen werden, welche die Modernitat der modemen Kunst ausmacht.