Stuckrad-Barres Roman Soloalbum gilt als das bekannteste Werk deutscherPopliteratur in den 90er Jahren. In diesem Roman tritt ein Ich-Erzahler auf, derzugleich als Hauptfigur die sogenannte Generation Golf zu vertreten scheint. Erlegt großen Wert auf die oberflachlichen Elemente wie Aussehen und Kleidungund gibt sich der Konsumwelt der spatkapitalistischen Gesellschaft hin. VieleInterpreten halten diesen Ich-Erzahler fur den Autor selbst und prangern dieunkritische Haltung des Autors gegenuber der spielerischen undkonsumsuchtigen Gesellschaft an. Diese Kritik ruhrt jedoch von demMissverstandnis her, dass der Ich-Erzahler mit dem Autor identisch ist. Trotzvieler Gemeinsamkeit gehe ich hier davon aus, dass es einen Unterschiedzwischen den beiden Instanzen gibt und diese Unterscheidung fur die richtigeInterpretation des Werkes notwendig ist. Nach der Trennung von seiner Freundin Katharina verliert der Ich-Erzahlerdie Kontrolle uber sein Leben und verfallt einem maßlosen, chaotischenZustand. Er lasst seine Wohnung verwahrlosen, die sich allmahlich zu einerMulldeponie verwandelt. Er hat zwar bindungslose und oberflachlicheBeziehungen mit vielen Frauen, jedoch wunscht er sich auch eineWiedervereinigung mit Katharina. Dieser Wunsch entspricht seinem Bedurfnis,Ordnung in sein chaotisches Leben hineinzubringen. Selbst wenn die Ordnungnichts anderes als eine bloße Illusion ist, strebt er danach. Um seiner Heimatlosigkeit zu entkommen, versucht er ein Zuhause zu errichten, in dem er Geborgenheit und Sicherheit gewinnen kann. Jedochscheitert ein solcher Versuch, und er fuhlt sich nicht wie zu Hause. In diesem Roman wiederholen sich Annaherungsversuche des Ich-Erzahlersan seine Freundin und deren Scheitern. Die negative Wiederholung, die denganzen Roman pragt, entspricht dem chaotischen Zustand des Erzahlers. Jedochlasst sich auch eine lineare Zeitstruktur finden, falls die Leser mitpopkulturellen Ereignissen vertraut sind und aufgrund dieser Informationen dieRomangeschehnisse zeitlich rekonstruieren konnen. Man sollte auch nichtvergessen, dass der Erzahler die Trennungstage zahlt. Die Verbindung vonlinearer und nichtlinearer Zeitstruktur und Erzahlweise entspricht derchaotischen und zugleich ordnungsstiftenden Tendenz des Ich-Erzahlers. Der Ich-Erzahler halt an oberflachlichen Wertmaßstaben fest und verzichtettrotz einzelner tiefer Einblicke in den illusionaren Charakter eines solchenschonen Scheins nicht darauf. Der Autor inszeniert sich selbst als Erzahler,wobei er die ironische Distanz zu dieser selbstinszenierten Figur nicht verliert. Anhand von Uberschriften der kleinen Kapitel stellt der Autor einen asthetischstrukturierten Aufbau des Romans her, der dem Musikalbum der britischenRockband Oasis entspringt. Die Form des schonen Scheins und die Texte derSongs von Oasis entsprechen jedoch nicht dem Romangeschehen. DieseUneinstimmigkeit ist vom ironiebewussten Autor selbst beabsichtigt. Auch dasdem Roman vorangestellte Motto Jorg Fausers macht deutlich, dass der Romannicht die Alltagswirklichkeit wiederspiegelt, sondern umgekehrt dieseWirklichkeit gerade durch den fiktiven Roman als schoner Schein erfundenwird.