Aufgrund des technischen Vorsprungs, der post-ideologischen internationalen Beziehungen und des Ubergangs vom physischen zum psychischen Raumgefuhl setzt sich die neo-liberale Globalisierung mehr und mehr weitgehend durch. Daher ist stillschweigend damit gut einzuvernehmen, dass es ein Unsinn sein mag, irgendeine auf der dialektischen Entwicklung basierende große Erzahlung auf die Tagesordnung zu setzen. Im gleichen Kontext damit ware noch unvorstellbar, an der klassischen marxistischen Idee festhaltend, dass die Ermoglichungsbedingungen der neuen Gesellschaftsformation aus den gegenwartigen sozialen Widerspruchen entstehen wurden, aus der todlichen Spirale der historico-dialektischen Entwicklung im hegelschen Sinne heraus an einen neuen Entwicklungsmodus heranzutasten.
Trotzdem haben die links-orientierten Denker die verschiedenartigen Widerstandsreden erhoben, und einer davon war Girogio Agamben. Er kann fur einen Denker gehalten werden, der zu einem Fluss der abendlandischen Linke gehort, die sich wie Antonio Negri und Michael Hardt auf die Dynamik der Biopolitik und der Biomacht aufmerksam macht, indem er sich den Foucaultschen Begriff, ‘bio-politique’, in seinem eigenen Verfahren aneignet. Aber sein Vorhaben geht weitaus uber den Rahmen der politischen Ideologie hinaus. Kraft der theoretischen Ansatze von Michel Foucault, Emile Benveniste, Carl Schmitt und Walter Benjamin, und durch die Reinterpretationen der umfangreichen klassischen Schriften versucht er auf die Fragen nach dem Ursprung der gegenwartigen menschlichen Kultur und nach ihrem Schicksal zu antworten. Und daruber hinaus will er auch die Fragen nach der Funktion und dem Seinsgehalt der feinen Unterschiede von menschlichem und nicht-menschlichem, von eigenem und fremdem Leben beantworten, die das menschliche gemeinschaftliche Leben konstituieren. Aus diesen Grunden kann man ihn auch einen kulturtheoretischen Denker einer neuen großen Erzahlung nennen.
Einer der großen Vorteile des Denkens Agambens, das bis 90er Jahren im deutschen wissenschaftlichen Milieu nur am Rande vermerkt worden ist, und mit dem man sich erst vom Anfang des 21. Jahrhunderts an sehr intensiv beschaftigt hat, besteht darin, dass er tiefgrundige Reflexionen der deutschen Denker wie Martin Heidegger, Walter Benjamin, Carl Schmitt an die aktuellen politischen Ereignisse und die damit gemeinsamen Problemhorizont teilenden historischen Kontexte anschließt und dadurch ein makroskopisches Erklarungsmodell fur die heutige Kultur und Gesellschaft aufzubauen versucht.
Dieses Erklarungsmodell ist nichts anderes als das ‘Homo Sacer’ Projekt, dem eine besondere Strategie zugrunde liegt, namlich ‘die simultane Strategie der Binarisierung und der Entdifferenzierung von Inklusion und Exklusion’. Die vorliegende Studie zielt darauf ab, in Bezug auf die im Hinblick darauf bisher erschienenen Schriften das Kernprinzip jenes Projekts, ‘Potentialitat’, herauszuarbeiten und die sinnkonstituierenden Implikationen der thematisch variierenden jeweiligen Kernmerkmale desselben aufzuklaren. In diesem Aufsatz als dem ersten Teil der in zwei geteilten Studie werden die Schriften Agambens, Potentialities als die Sammlung der philosophischen Essays, die drei von den bisher erschienenen ‘Homo Sacer’ Projekt-Buchern, Homo Sacer, State of Exception und The Kingdom and the Glory, behandelt.